Interview mit Prof. Robert Huber und Prof. Jakob Kjelstrup-Hansen

Das VISION Center ist nun schon einige Zeit online. Wir haben die beiden Verantwortlichen des Centers, Prof. Robert Huber vom Medizinischen Laserzentrum Lübeck (MLL) und Prof. Jakob Kjelstrup-Hansen vom Mads Clausen Institut der Süddänischen Universität gefragt, was es mit dem Center auf sich hat:

Frage: Mikroskopie ist eine ausgereifte Technologie. Warum braucht es ein Servicecenter für Mikroskopie?

Huber: Normalerweise, wenn wir heute über Mikroskopie sprechen, denken wir an die klassischen Ansätze, die vor mehr als 100 Jahren erfunden wurden, wo eine traditionelle Vergrößerungsoptik, bestehend aus einzelnen Linsen, ein überlebensgroßes Bild des betrachteten Objekts liefert. Heute ist dieses klassische Mikroskop ein Arbeitspferd in den Histologie-Abteilungen von Krankenhäusern zur Diagnose von krankhaftem Gewebe, das aus einem Patienten entnommen wurde. In den letzten 20 Jahren wurden jedoch viele neue, viel fortschrittlichere Geräte entwickelt. Die meisten von ihnen verwenden Laser, und sie können viel mehr sehen als normale Mikroskope. Diese modernen Mikroskope geben nicht nur ein vergrößertes Bild einer Probe oder von menschlichem Gewebe, sie können auch sagen, um welche Art von Substanz es sich handelt, welche Art von Biomolekülen und sogar welche Art von biochemischen Reaktionen in der Probe vorhanden sind oder ablaufen.

Dass diese neuen Mikroskope völlig neue Wege der Gewebediagnostik eröffnen, unterstreicht der Chemie-Nobelpreis, den Stefan Hell aus Göttingen im Jahr 2014 für seine Erfindung eines neuen Mikroskops erhielt, des STED-Mikroskops mit einer Auflösung, die fünffach besser als diejenige klassischer Lichtmikroskope ist.  Und das ist nur ein Beispiel für viele neue Versionen von Mikroskopen, die mit der heutigen Laseroptik und Elektronik möglich sind.

Trotz der Tatsache, dass diese neuen Mikroskop-Technologien äußerst vielversprechend sind, sind sie in der Regel nur Forschergruppen zugänglich, die es sich leisten können, erhebliche Summen für den Kauf solcher außergewöhnlichen Geräte auszugeben oder sie selbst zu bauen.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass es nicht alleine ausreicht, über solch fortschrittliche Bildgebungsgeräte zu verfügen, sondern dass man auch über ein enormes Hintergrundwissen verfügen muss, um die gewonnenen Daten richtig zu interpretieren. Das ist vergleichbar mit der MRT-Bildgebung in der Klinik – das Gerät ist nur die halbe Miete, man braucht auch einen Radiologen, um die Bilder zu interpretieren. Und weil die Bildgebungsplattformen des VISION Centers so neu und fortschrittlich sind, gibt es weltweit nur wenige Menschen, die es wirklich verstehen, die Daten zu interpretieren. Das VISION Center wird die Maschinen und die Köpfe der entsprechenden Experten als Service anbieten. Schließlich geht es nicht nur um die Werkzeuge, sondern auch darum, wie man sie einsetzt.

Kjelstrup-Hansen:  Obwohl die Mikroskopie im Allgemeinen eine sehr reife Technologie ist, werden laufend neue und verbesserte Mikroskopietechniken entwickelt, die es uns ermöglichen, ein noch besseres Verständnis der untersuchten Proben zu erlangen. Dies ist zum Beispiel der Fall mit dem Helium-Ionen-Mikroskop, das erst seit ein paar Jahren erhältlich ist und stets weiterentwickelt wird. Diese Bildgebungstechnik liefert Bilder mit sehr hoher Auflösung, so dass wir die ganz feinen Details auf der Oberfläche einer Probe sehen können, was mit herkömmlichen Mikroskopen nicht möglich ist. Das Servicecenter dient dazu, einen Zugang zu diesen neuen und bisher wenig verbreiteten Mikroskopietechniken zu ermöglichen.

Frage: Wer profitiert von dem VISION Center? Wer sind Ihre Nutzer?

Huber: Wir sehen die Hauptanwender in kleineren Forschungsgruppen, in Krankenhäusern, in wissenschaftlichen Einrichtungen und in kleinen bis mittleren High-Tech-Unternehmen, die sich die Anschaffung der fortschrittlichen Bildgebungsgeräte und den Aufbau des notwendigen Wissens für die Interpretation des erworbenen Bildes finanziell nicht leisten können.

Wir hoffen auch, dass das VISION Center als Einrichtung für Machbarkeitsstudien dienen kann. Oft hat jemand in der Industrie oder auch eine Privatperson kreative Ideen, weiß aber nicht, wie die Idee umzusetzen ist.  Meist mangelt es auch an der richtigen Ausrüstung.  Im VISION Center wollen wir solche Ideen Wirklichkeit werden lassen. Ich habe im akademischen Umfeld meiner ehemaligen Universität erlebt, dass es sehr schwierig sein kann, wenn sich jemand mit einer innovativen Idee an Sie wendet, um Ihr Bildgebungssystem anzuwenden. Um für diese Person erweiterte Testmessungen durchzuführen, um seine Idee auszuprobieren, stehen im rein universitären Umfeld normalerweise zu viele Hürden im Weg. Dadurch können sehr oft hochinnovative Ansätze verloren gehen. Das VISION Center wird diese Lücke schließen. Es will eine Einrichtung sein, die Ideen für neue Anwendungen für die fortschrittlichen Bildverarbeitungssysteme verwirklichen kann.

Kjelstrup-Hansen: Es sind im Wesentlichen zwei Gruppen von Nutzern: Zum einen sind es medizinisches Personal und Wissenschaftler, die daran interessiert sind, mehr darüber zu lernen, wozu sie diese neuen Mikroskopietechniken nutzen können oder die diese für Machbarkeitsstudien anwenden wollen, zum anderen sind es Entwickler medizinischer Geräte, die ein Interesse daran haben, die Bildgebungstechnik für die Markteinführung weiterzuentwickeln.

Frage: Das VISION Center ist eine virtuelle Einrichtung. Was genau bedeutet das?

Huber: Die Hauptaufgabe des VISION Centers ist die Planung und Verwaltung der vom Kunden gewünschten Bildverarbeitungsaufgaben. Das bedeutet, dass das VISION Center die Kunden mit den entsprechenden Experten verbindet und die Arbeit, das Projekt, die Aufgaben und die durchzuführenden Verfahren plant. Es ist notwendig, das VISION Center in einem „virtuellen“ Modus zu betreiben, da es nicht möglich ist, eine große Anzahl modernster Geräte der Spitzentechnologie ohne die entsprechenden hochkarätigen Forscher vorzuhalten, die die gewonnenen Daten interpretieren können.

Kjelstrup-Hansen:  ‚Virtuell‘ bedeutet, dass das VISION Center nicht in einem physischen Gebäude untergebracht ist. Vielmehr verbindet und nutzt es die technische Infrastruktur, die auf dänischer wie deutscher Seite zur Verfügung steht und dienst somit als zentrale Anlaufstelle für externe Nutzer.

Frage: Ist die Nutzung des VISION Centers mit Kosten verbunden?

Kjelstrup-Hansen:  Das hängt im Wesentlichen von der Art der Anfrage ab. Einleitende Tests innerhalb des Interreg-Projektes Celltom können kostenlos durchgeführt werden. Umfassendere Messungen werden jedoch für den Nutzer kostenpflichtig sein.

Huber: Das VISION Center wird ein geeignetes Vergütungsmodell für die von ihm erbrachten Leistungen entwickeln. Ziel ist es, ein Modell zu haben, das die Eintrittsbarriere so weit wie möglich senkt, um neue, innovative und bahnbrechende Ideen ohne große finanzielle Investitionen schnell erproben zu können. Dies ist der Schlüssel, um lokale Innovationen voranzutreiben und als Inkubator für unkonventionelle Out-of-the-Box-Ideen zu dienen – die sogar von Privatpersonen kommen können.

Frage: Mal angenommen, ich möchte das VISION Center nutzen. Was muss ich tun?

Huber & Kjelstrup-Hansen: Gehen Sie einfach auf die Webseite des VISION Centers, füllen Sie das Kontaktformular aus und Sie werden von einem Experten zum Thema Ihrer Anfrage kontaktiert. Und das Beste ist: Sie können die Sprache der Kommunikation wählen: Dänisch, Deutsch oder Englisch!